Undine-Märchen vorgestellt: „Die Märchenretterin“

Pressemitteilung vom 04.04.2020

Undine-Märchen vorgestellt: "Die Märchenretterin"

Jedes Jahr rufen die Fouqué-Bibliothek und das Brandenburger Wochenblatt BRAWO den stadtweiten Undine-Wettbewerb aus. In der ersten Stufe des Wettbewerbs können junge Literaten im Alter von 7 - 25 Jahre ihre eigenen Märchen einreichen, in der zweiten Stufe werden bildkünstlerische Darstellungen der zuvor eingereichten Märchen von Kindern und Jugendlichen entgegen genommen.

In diesem Jahr musste die Siegerehrung der Märchen-Beiträge zum 16. Undine-Wettbewerb leider ausfallen. Um die literarischen Werke dennoch zu ehren - und um den Familien in Brandenburg an der Havel eine kreative Abwechslung zu bieten - werden seit dem 27.03.2020 jedes Wochenende (jeweils freitags und samstags) zwei Siegermärchen vorgestellt.

„Die Märchenretterin“

Hauptpreis in der Altersklasse 13 - 16 Jahre
Autorin: Florentine Wendt, 13 Jahre, wohnt in Rathenow

"Es war einmal ein Mädchen, das hieß Lilly. Sie war ein ganz normales Mädchen mit roten Haaren und grünen Augen. Und sie liebte Märchen. Es gab keines, dass sie nicht kannte. Ob aus China oder Island, alle hatte sie schon einmal gelesen. Das Einzige, was sie womöglich von den anderen unterschied, war, dass sie an die Märchenwelt glaubte. Für sie waren das keine Erzählungen, irgendwo in diesem Universum musste es eine Märchenwelt geben. Da war sie sich ganz sicher.

Eines Tages blätterte sie in ihrem Lieblingsmärchenbuch, das der Gebrüder Grimm. All die fantasievollen Geschöpfe faszinierten sie sehr. Man konnte mit ihnen in eine andere Welt eintauchen und die Probleme des Alltags vergessen. Leider hatte Lilly sehr viele. Ihre Eltern waren schon tot und sie lebte in einer Pflegefamilie. Ihre neuen Eltern mochte sie sehr, sie kümmerten sich gut um sie. Deren Kinder aber sahen es nicht ein sie wie eine Schwester zu behandeln und ärgerten sie nur allzu oft. Den Eltern fiel es nicht auf, da sie tagsüber auf der Arbeit waren und nicht mitbekamen, was zu Hause passierte. So musste Lilly viele Beleidigungen und Streiche über sich ergehen lassen. Gerade deshalb brauchte sie die Märchen, um auf andere Gedanken zu kommen. Und wenn sie dann in einer anderen Welt mit Drachen kämpfte, war alles schon wieder vergessen.

Sie war gerade beim dritten Märchen des Buches angekommen, als sie von einem Sog erfasst wurde und in einem Wald stand. Dieser Wald kam ihr bekannt vor, aus ihren Gedanken... „Das ist doch wohl nicht etwa...?„, wunderte sie sich. Genau so einen Wald stellte sie sich vor, wenn sie das Märchen „Frau Holle“ las. Aber das konnte ja nicht sein. Nie und nimmer. Lilly rieb sich die Augen. Doch noch immer stand sie in diesem Wald. Sie kniff sich in den Arm. „Autsch!„. Nein, sie träumte nicht. Sie stand wirklich in dem Wald, der zu Frau Holles Haus führte. „Wusste ich's doch“, murmelte sie. Es gab sie wirklich, die Märchenwelt. Unternehmungslustig ging sie los und schon kurze Zeit später hörte sie ein kleines Stimmchen rufen: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken„. Es kam aus dem Ofen, der in der Nähe stand. Wie von selbst ging sie darauf zu, nahm den Brotschieber und holte ein Brot nach dem anderen heraus. Danach ging sie weiter. Und schon kurz darauf hörte sie eine andere Stimme: „Ach, schüttel mich, schüttet mich, meine Äpfel sind alle miteinander reif“. Es kam von dem Apfelbaum, der ganz in der Nähe auf einer Lichtung stand. Und wieder ging Lilly wie selbstverständlich darauf zu und schüttelte so lange, bis kein Apfel mehr am Baum hing. Dann ging sie weiter. Wie sie es sich schon gedacht hatte, kam sie zu einem Haus, daraus lugte eine alte, hässliche Frau heraus. Andere wären vor Angst weggerannt, das Aussehen der Frau war wirklich zum Fürchten. Doch Lilly wusste, dass Frau Holle eigentlich sehr liebenswürdig war und für ihr Aussehen nichts konnte. Also ging sie auf das Haus zu. Frau Holle schien schon auf sie zuwarten. „Hallo mein Kind„, sprach sie, „tritt ein.“ Lilly gehorchte. „Herzlichen Glückwunsch, du hast das erste Märchen gemeistert.„ „Märchen? Gemeistert?“, Lilly war verwirrt. „Ja mein Kind, du bist in der Märchenwelt, genauer gesagt in deinem Buch und bist gerade in deinem ersten Märchen.„ „Wie? Sie meinen.., ich bin in meinem Buch? In dem Märchenbuch der Gebrüder Grimm?“ „Ganz recht, Kleines„, antwortete Frau Holle geduldig. „Deine Aufgabe ist es, die Märchen dieses Buches zu meistern und das Herz wieder an seinen richtigen Platz zu bringen.“ „Welches Herz? An welchen Platz?„, fragte Lilly verwirrt. „Das wirst du alles schon früh genug rausfinden und jetzt geh und rette die Märchenwelt!“ „Aber, aber...", stotterte Lilly, doch da schob sie Frau Holle schon durch eine Tür.

Wieder stand sie in einem Wald. Aber dieses Mal war es eine Lichtung mit einem wunderschönen Turm, fast wie bei... Rapunzel, dieses Märchen hier war Rapunzen. Also ging sie auf den Turm zu und rief: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!„ Und schon kurze Zeit später fiel ein langer dicker Zopf aus dem kleinen Fenster. Lilly kletterte hinauf. Oben angekommen begrüßte Rapunzel sie überschwänglich. „Nun hast du schon das zweite Märchen bestanden“, freute sie sich, „du schaffst das, Lilly!„ Aber da war sich Lilly nicht so sicher. Sie wusste ja noch nicht einmal was sie jetzt überhaupt tun sollte... Das Herz an den richtigen Platz zurückbringen, wie soll denn das gehen? Doch da unterbrach Rapunzel ihre Gedanken: „Geh durch diese Luke hier und du kommst ins nächste Märchen“, sagte sie und zeigte auf eine Falltür am Boden. „Viel Glück!"

Also stieg Lilly hindurch und das Abenteuer ging weiter... Mal sollte sie einen Frosch küssen, mal 7 Zwergen das Essen kochen, doch noch immer hatte sie keine Ahnung was es mit dem Herz auf sich hatte. Doch dann, als sie gerade beim Märchen Aschenputtel Linsen und Erbsen sortierte, sah sie in der Zimmerecke etwas aufblitzen. Es war ein kleines, altes, zerfleddertes Heft, das fast auseinanderfiel. Irgendetwas sagte Lilly, dass sie es mitnehmen sollte. Also steckte sie es ein und sortierte weiter. Als sie damit fertig war und durch ein Fenster ins nächste Märchen gelangen sollte, wurde sie wieder von einem Sog erfasst und befand sich dann in einem leeren Raum. Nur ein kleines Tischchen mit einem seltsamen rechteckigen Loch stand darin. Auf einmal sprach eine Stimme: „Herzlichen Glückwunsch Lilly, du hast das Herz gefunden„, sprach eine Stimme. Lilly erschrak. „Wer bist du?“, fragte sie. Die Stimme schien aus dem nirgendwo zu kommen. „Ich, ich bin der Geist der Gebrüder Grimm, die Seele aller Märchen. Und du, du hast das Herz„, sagte die Stimme. „Ich hab das Herz? Aber...“ Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Das Heft ist das Herz?„, fragte Lilly ungläubig. „Ja natürlich, das ist das Heft, in dem die Gebrüder Grimm ihre Märchen gesammelt haben. Es war verschwunden und keiner wusste wo es war. Alle glaubten, die Märchenwelt würde untergehen. Doch dann kamst du und hast uns alle gerettet. Lege das Heft bitte in das Loch des Tischs vor dir. Dann hat es seinen angestammten Platz wiedereingenommen und die Märchenwelt kann weiterhin bestehen“, sagte die Stimme. Lilly ging auf den Tisch zu und legte das Heft in das Loch. „Im Namen aller Märchenwesen möchte ich mich bei dir bedanken, Lilly„, sprach die Stimme, „Du hast uns alle gerettet“. „Es war mir ein Vergnügen„, antwortete Lilly, „Wer kann schon von sich behaupten er sei schon mal in der Märchenwelt gewesen?“. Sie lachte. „Muss ich jetzt eigentlich wieder zu mir nach Hause?„. Auf diese Frage bekam sie keine Antwort mehr. Stattdessen wurde sie schon wieder von einem Sog erfasst und lag dann in ihrem Bett. Lilly wachte auf. Und das war alles nur ein schöner Traum gewesen?“

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