Undine-Märchen vorgestellt: „Drei ungewöhnliche prinzliche Aufgaben“

Pressemitteilung vom 09.05.2020

Undine-Märchen vorgestellt: "Drei ungewöhnliche prinzliche Aufgaben"

Jedes Jahr rufen die Fouqué-Bibliothek und das Brandenburger Wochenblatt BRAWO den stadtweiten Undine-Wettbewerb aus. In der ersten Stufe des Wettbewerbs können junge Literaten im Alter von 7 - 25 Jahre ihre eigenen Märchen einreichen, in der zweiten Stufe werden bildkünstlerische Darstellungen der ausgezeichneten Märchen von Kindern und Jugendlichen entgegen genommen.

In diesem Jahr musste die Siegerehrung der Märchen-Beiträge zum 16. Undine-Wettbewerb leider ausfallen. Um die literarischen Werke dennoch zu ehren - und um den Familien in Brandenburg an der Havel eine kreative Abwechslung zu bieten - wurden seit dem 27.03.2020 jedes Wochenende zwei Siegermärchen vorgestellt. Heute nun wird das letzte preisgekrönte Märchen veröffentlicht.

„Drei ungewöhnliche prinzliche Aufgaben“

Sonderpreis für einen königlichen Kammerdiener
Autorin: Tetyana Mumro, 19 Jahre, Brandenburg an der Havel

"In einer Zeit, wo Feen noch Wünsche erfüllten und Drachen Feuer speiten, lebten in einem weit entfernten Königreich, ein König mit seiner Tochter, der Prinzessin. Sie besaßen ein prunkvolles Schloss und das Volk liebte sie, doch waren der König und seine Tochter in den letzten Jahren oft sehr traurig gewesen. Die Frau des Königs war vor Jahren schwer erkrankt und hatte seitdem ihr Bett nicht mehr verlassen. Jedes Mal wenn die Prinzessin ihre Mutter besuchte, schlief diese und die Prinzessin hockte stundenlang traurig neben ihrem Bett.
Die Königin war eine sehr ungewöhnliche Königin gewesen. Am liebsten hatte sie die Marmorböden im Schloss gefegt, die Rosen im Park geschnitten und mit einem großen Kescher Laub aus dem Springbrunnen gefischt. Jeden Abend hatte sie sich in die Schlossküche gestellt und wie durch Zauberhand die leckersten Speisen zubereitet. Jeden Tag verschickte die Königin Einladungen an Menschen aus dem Volk. Und jeden Abend speisten Bauern, Handwerker und Ritter bei ihnen. Die Königsfamilie hatte weder Diener noch Wachen — und die brauchte sie auch nicht.
Doch als die Königin erkrankte veränderte sich alles. Sie humpelte durch das Schloss und konnte kaum einen Besen in den zitternden Händen halten. De Rosenbüsche waren längst eingegangen und das Essen wurde ständig versalzen serviert. Der Leibarzt untersuchte die Königin und verordnete strenge Bettruhe. 
Doch nun musste sich jemand um das Schloss kümmern - und so zog bald darauf eine Bauernfamilie im Schloss ein. Die Frau kümmerte sich um den Garten, während ihr Mann zusammen mit den Töchtern in der Schlossküche war. Die Familie hatte noch einen Sohn, den Benedict, der zum Kammerdiener der Prinzessin wurde.
Es vergingen einige Jahre und die Prinzessin wurde von einem kleinen Mädchen zu einer wunderschönen jungen Frau und aus Benedict wurde ein stattlicher junger Mann. Und kaum hatten sie sich versehen, so waren sie auch schon in einander verliebt.
Auch dem König war die Veränderung seiner Tochter nicht entgangen und er beschloss, dass es an der Zeit wäre sie zu verheiraten.
Als er ihr davon erzählte, war das Mädchen zutiefst erschüttert. Sie wagte es nicht zu fragen, ob sie ihren Kammerdiener heiraten dürfte, ihr Vater würde es ohnehin nicht erlauben. Es war üblich, dass Prinzessinnen Prinzen heirateten.
Und so schrieb der König hoch erfreut Briefe an all seine Freunde, die Herrscher der Nachbarkönigreiche und bat sie, ihre Söhne zu entsenden, sodass er einen Mann für seine Tochter auswählen konnte.
Am Abend bevor die Prinzen eintreffen sollten, ging der König zu seiner Frau, die immer noch schwer krank im Bett lag. Von Tag zu Tag wurde sie immer schwächer und der König wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Er setzte sich an ihr Bett, nahm ihre Hand und erzählte ihr, dass er die Prinzessin verheiraten würde. Die Königin nickte und sagte mit schwacher Stimme: „Das ist richtig, doch ich möchte, dass du mir versprichst, dass sie einen Mann heiratet, den sie wirklich liebt. Du musst ihr die Entscheidung lassen." Der König versprach es und verließ das Turmzimmer. Er ging durch den Korridor, vorbei an dem Zimmer der Prinzessin und blieb einen Augenblick an der Tür stehen. Dann lief er rasch weiter. Wäre er länger stehen geblieben und hätte er womöglich sogar noch an der Tür gelauscht, hätte er das Weinen seiner Tochter gehört, die in Benedicts Armen lag und ihr Schicksal betrauerte. Benedict tröstete sie, wurde jedoch gleichzeitig trauriger. Er wusste nicht, wie es ihm gelingen sollte den König zu überzeugen, dass er ein würdiger Ehemann für dessen Tochter sei.
Am nächsten Tag wurde der Festtag mit den Kirchglocken eingeläutet und die ersten Prinzen kamen schon früh am Morgen in den Schlosshof geritten. Der König ging in das Gemach der Prinzessin, um die zu wecken, als er bemerkte, dass seine Tochter bereits wach auf dem Bett saß und missmutig aus dem Fenster blickte.
„Deine Mutter und ich möchten dass du glücklich bist und einen würdigen Mann findest. Deshalb überlasse ich die Entscheidung dir."
Das Gesicht der Prinzessin hellte sich auf. Sie wollte ihrem Vater bereits um den Hals fallen und ihm alles sagen, als er weitersprach: „Ich möchte, dass du den Anwärtern drei Aufgaben stellst, die es zu erfüllen gilt. Welche Aufgaben du ihnen erteilst, entscheidest du selbst. Jedoch möchte ich, dass du es dir wohl überlegst. Den am Ende heiratest du den Prinzen, der diese am besten gemeistert hat." Mit diesen Worten verließ der König ihr Zimmer und ließ sie niedergeschlagen zurück. Dann kam Benedict ins Zimmer um der Prinzessin beim Einkleiden zu helfen. Er begann damit, dass er ihr Korsett schnürte. Bei der letzten Naht begann sie zu weinen.
„Habe ich es zu fest gezogen, Prinzessin?", fragte der Kammerdiener erschrocken und lockerte die Schnürung sofort. Die Prinzessin drehte sich zu ihm und schloss ihn in die Arme und legte ihre Stirn an seine Brust. Traurig erzählte sie ihm von den Bedingungen die der König ihr gestellt hatte.
„Welche Aufgaben soll ich ihnen denn stellen?", jammerte sie.
Benedict überlegte kurz. „Du solltest die Aufgaben stellen, die nur dein Traummann erfüllen kann.", sagte er schließlich.
„Aber niemand von diesen Prinzen ist mein Traummann. Du weißt ganz genau, dass ich nur dich heiraten möchte."
„Dann solltest du Aufgaben stellen, die nur ein Mann wie ich erfüllen kann.
Währenddessen kümmere ich mich um das Prinzengewand." Mit diesen Worten half er ihr in das spitzenbesetzte und perlenverzierte Kleid zu schlüpfen und hastete aus dem Gemach.
Kurze Zeit später begrüßte der König seine Gäste bei tosendem Applaus und Fanfaren. Es waren so viele Prinzen angereist, dass der Festsaal vollkommen überfüllt war und Tische aus anderen Räumen dorthin getragen werden mussten. So saßen einige Prinzen an Schreibtischen und Nachttischchen. Nachdem der König seine Ansprache gehalten hatte, bat er seine Tochter nach vorne, damit sie die Aufgaben verkünden konnte.
Und so kündigte sie mit lauter Stimme die erste Aufgabe an: „Mein zukünftiger Gemahl soll alle Korridore, Säle und Hallen unseres Schlosses, sauber und schnell fegen." Alle Prinzen bekamen alte Besen in die Hände gedrückt und ein Startsignal wurde gegeben. Einige machten sich sofort eifrig daran den Boden zu kehren, andere blieben mit den Besen in den Händen ratlos stehen und schauten verdutzt. Noch nie hatten sie einen Besen aus solcher Nähe gesehen, geschweige denn in den Händen gehalten. Manche wussten nicht einmal wie sie ihn zu halten hatten und stupsten mit dem Besenstiel den Boden an. Ein paar Prinzen begannen mit den Besen zu fechten — denn anderes wussten sie damit nicht anzufangen. Es wurde schnell klar, dass die meisten Prinzen der Aufgabe nicht gewachsen waren und so brach man sie ab. Zusammen mit seiner Tochter schritt der König das Schloss ab um die putzenden Prinzen einzusammeln. Die meisten hatten mehr Unordnung und Schmutz hinterlassen, als vorher dagewesen war. Nur ein Prinz fiel dem König ins Auge. Dieser hatte irgendwo einen Eimer aufgetrieben, tauchte den Besen stetig in das Wasser und fegte mit dem nassen Besen die Halle, sodass sie mit jedem Schwung blitzblanker wurde. Als der König und die Prinzessin näher kamen, lehnte der Prinz seinen Besen an die Wand und verbeugte sich würdevoll vor den Herrschaften. Er trug eine Ritterrüstung und einen Helm, der sein Gesicht verdeckte.
„Sie haben sich gut geschlagen.", lobte ihn der König und reichte ihm die Hand. Der Ritter drückte die Hand kurz, doch sagte dabei nichts.
„Wir sollten die nächste Aufgabe ankündigen, Vater.„, sagte die Tochter rasch und legte ihren Arm um den König. Sie führte ihn wieder zurück zu den versammelten Prinzen und warf beim Weggehen noch einen Blick über die Schulter auf den vermummten Prinzen. „Nun wird es die Aufgabe sein, mir ein Pferd für den Ausritt zu satteln.“
Jeder der Prinzen war auf einem Ross durchs Burgtor geritten. Doch jeder hatte sein Pferd in den Stall gestellt, wo die Stallknechte die Pferde bereits von Sattel und Zügeln befreit hatten und ihnen frisches Wasser und Heu gegeben hatten. Nun gingen die Prinzen im Gänsemarsch in den großen Stall und stellten sich an ihre Pferde. Wieder ertönte das Startsignal und wieder waren die Prinzen ratlos. Ein paar Prinzen schlossen die Lederriemen des Sattels und merkten im letzten Moment, dass sie den Sattel verkehrt herum angebracht hatten. Andere waren zu klein, um ohne Hilfe das Zaumzeug zu befestigen und versuchten sich an der Pferdemähne hochzuziehen. Den Pferden gefiel die Behandlung nicht und sie schlugen mit den Hufen nach den Reitern aus. Blaue Flecken zierten die Prinzen und sie jammerten.
Nur dem Prinzen mit der Ritterrüstung war es gelungen ein Pferd zu satteln. Nicht ohne Neid beobachteten die anderen Prinzen, wie er mit ruhiger Stimme auf das Tier einredete, mit geübter Hand den Sattel und dann das Zaumzeug anlegte, um das Pferd dann zu der Prinzessin zu führen. Ohne jegliche Hilfe schwang sich die Prinzessin auf den Rücken des Pferdes, griff nach den Zügeln und ritt los. Der König applaudierte begeistert, während die Prinzen nur missmutig der reitenden Prinzessin hinterherschauten.
Nun sollten sich die Prinzen der letzten und entscheidenden Aufgabe stellen. Vom hohen Ross aus kündigte die Prinzessin an: „Ich möchte, dass jeder von euch mir ein maßgefertigtes Kleid schneidern lässt"
Da grinsten die meisten Prinzen, denn sie gaben ja ständig Kleidung in Auftrag und so liefen sie zu allen Schneidern und Schneiderinnen in der Burg um Kleider für die Prinzessin in Auftrag zu geben. Sie fühlten sich in ihrem Element, suchten die teuersten und schönsten Stoffe aus. Wählten Samtkragen, Strickereien und Schmucksteine für die Kleider aus und waren vollkommen mit sich zufrieden. Doch nur der Prinz in Ritterrüstung klopfte am Prinzessinengemach und fragte, ob er die Maße der Prinzessin nehmen dürfte. Geschickt hantierte er mit Lineal und Maßband. Notierte sich den Hüftumfang, berechnete die Taille, maß die Länge der Arme und Beine und verabschiedete sich schließlich mit einer würdevollen Verbeugung.
Schon am nächsten Abend wurden die Kleider der Prinzessin zur Anprobe gebracht. Die Schneider und Schneiderinnen hatten großartige Arbeit geleistet — noch nie zuvor und nie wieder danach hatte man so viele prachtvolle Kleider gesehen. Ein Berg von farbenfrohen, reich verzierten und geschmückten Kleidern lag im Zimmer der Prinzessin, sodass sie kaum Platz hatte, um an den Spiegel zu gelangen, um sich bestaunen zu können.
Doch leider waren die meisten Kleider eine Enttäuschung. Da die Prinzen keine Maße der Prinzessin genommen hatten, waren die Angaben nur auf gut Glück geraten. Ein Kleid war so klein, dass die ohnehin schon schmale Prinzessin von einer Fee zu einem Grashalm hätte verwandelt werden müssen um hineinzupassen. Ein anderes war so weit, dass die Prinzessin drei Mal hineingepasst hätte. Einige Kleider waren so kurz, dass sie kaum die Rüschenunterhose der Prinzessin bedeckten und wieder andere so lang, dass die Prinzessin ständig über den Saum stolperte und hinfiel.
Nur ein Kleid passte der Prinzessin wie angegossen. Es war rot und hatte kunstvolle Verzierungen am Rocksaum und an den Ärmeln. Es gefiel ihr sehr gut, da es ihr nicht nur ausgezeichnet stand sondern weil Rot zudem auch noch ihre Lieblingsfarbe war. Sie schritt in dem Kleid nach draußen auf den Schlosshof, wo bereits der König und die Prinzen sie erwarteten.
„Ich möchte dass der junge Mann nach vorne tritt, der dieses wunderschöne Kleid für meine Tochter hat schneidern lassen.„, rief der König. Der Prinz im Rittergewand trat nach vorne. Der König schloss ihn in seine Arme und sagte: „Du hast dich gut geschlagen. So soll meine Tochter entscheiden, ob auch sie zufrieden mit seinen Ergebnissen ist.“ „Das bin ich.„ Die Prinzessin griff nach den Händen des Prinzen uns sah zu ihm herauf „Ich möchte deine Frau werden. Und ich möchte, dass die ganze Welt sieht wer du bist.“ Der Prinz ließ ihre Hände los und fuhr etwas erschrocken zurück, doch es war bereits zu spät. Die Prinzessin hatte sich seinen Helm gegriffen und hatte ihn ihm vom Kopf gezogen. Ein Raunen ging durch die Menge und dem König blieb der Mund vor Staunen offen stehen.
„Ist das nicht Benedict, dein Kammerdiener?", fragte der König, nachdem er sich vom ersten Schrecken erholt hatte.
Die Prinzessin nickte und schmiegte sich an den enthüllten Prinzen.
„Nun denn, ich habe versprochen, dass du die Frau desjenigen wirst, der die Aufgaben, die du ihm stellst erfüllt. Das hat Benedict.„, sagte der König „Deshalb werde ich auch mein Versprechen halten.“
Die Prinzessin und ihr Kammerdiener jubelten und fielen sich in die Arme. Noch bevor die anderen Prinzen abreisten, wurde Hochzeit gefeiert und das Schloss platzte aus allen Nähten, da es noch nie so viele Besucher gesehen hatte. Bei dem Fest ging es so fröhlich und heiter zu, dass sich selbst die kranke Mutter der Prinzessin zu ihnen gesellte und viel rosiger und freudiger aussah. Sie und der König freuten sich über das Glück ihrer Tochter. Von da an musste ein Prinz nie mehr eine Prinzessin heiraten und eine Prinzessin nie wieder einen Prinzen. Denn viel wichtiger war es, ob man sich wirklich liebte."

Hier findet man alle Siegermärchen des 16. Undine-Wettbewerbs

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