Erlebnisreicher Besuch bei französischen Freunden
Brandenburger Delegation kehrt von dreitägigem Besuch in Ivry-sur-Seine zurück. Weiterer Ausbau der 50-jährigen Städtepartnerschaft wurde besprochen.
Brandenburger Delegation kehrt von dreitägigem Besuch in Ivry-sur-Seine zurück. Weiterer Ausbau der 50-jährigen Städtepartnerschaft wurde besprochen.
Am 9. Mai 1963 unterschrieben Max Herm, damals Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg an der Havel, und Marius Prunières, stellvertretender Bürgermeister von Ivry-sur-Seine, einen Vertrag über die Aufnahme von Beziehungen zwischen der Havelstadt und dem Ort in der Nähe von Paris. Ziel dieser deutsch-französischen Städtepartnerschaft war und ist die Förderung des kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen, touristischen und sportlichen Austausches.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums dieser Städtepartnerschaft reiste eine 5-köpfige Delegation unter Leitung von Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dr. Dietlind Tiemann vom 12. – 14.07.2013 in die französische Partnerstadt. Neben SVV-Präsidiumsmitglied Hans-Jürgen Arndt weilten außerdem Viola Cohnen, Leiterin des Fachbereiches Kultur, Bildung und Sport, OB-Büroleiter Carsten Tüchelmann und Carolin Woköck, die seit Kurzem in der Stadtverwaltung für Städtepartnerschaften und internationale Beziehungen zuständig ist, in Ivry-sur-Seine.
Bürgermeister Pierre Gosnat hatte die Gäste aus der Havelstadt und Vertreter des gesellschaftlichen Lebens von Ivry-sur-Sein zu einem Festakt eingeladen, bei dem die lange Verbundenheit beider Städte gewürdigt wurde. Seine Amtskollegin aus Brandenburg an der Havel ging in ihrer Rede unter anderem auf die vielen Gemeinsamkeiten in der Geschichte und Gegenwart ein, die beide Städte miteinander verbinden. Beide Stadtoberhäupter stellten mit Blick auf ein halbes Jahrhundert Städtepartnerschaft klar, dass das bisher Erreichte weitergeführt wird und vor allem im kulturellen und sportlichen Bereich weitere Aktivitäten folgen sollen. Abgerundet wurde die Festveranstaltung durch einen Zeitzeugenfilm. Er wurde von Bürgerinnen und Bürgern aus Ivry-sur-Seine erstellt, die bereits in Brandenburg an der Havel weilten. In eindrucksvollen Bildern und Videosequenzen geben sie im Film ihre Eindrücke von den Märkern und der Havelstadt wieder.
Auf einer interessanten Rundfahrt durch Ivry-sur-Seine wurden der Brandenburger Delegation verschiedene Stadtentwicklungsprojekte erläutert. So werden zum Beispiel in den nächsten Jahren 5.000 zusätzliche Sozialwohnungen geschaffen sowie eine neue Straßenbahnlinie mit Anbindung an den Flughafen Orly errichtet.
Ein weiterer Höhepunkt der Reise war die Auftaktveranstaltung zum 10. „Village du Monde“ (Dorf der Welt). Dabei handelt es sich um ein dreiwöchiges Projekt mit Jugendlichen aus Kuba, Mali, Palästina und Brandenburg an der Havel. „Zu sehen, wie die Mädchen und Jungen aus unserer Stadt ganz selbstverständlich mit ihren Altersgenossen aus anderen Ländern und Kulturen kommunizieren und gemeinsam an einem Projekt arbeiten, das war toll. Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich, wie sich unsere Städtepartnerschaft in den vergangenen 50 Jahren von einer einst sehr stark ideologisch geprägten Beziehung zu einem wahren gegenseitigen Gedanken- und Erfahrungsaustausch entwickelt hat, bei dem die Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen“ fasste Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dr. Dietlind Tiemann im Anschluss ihre Eindrücke zusammen. Sie wünschte dem diesjährigen „Village du Monde“ viel Erfolg und allen Beteiligten eine angenehme Zeit mit tollen neuen Erfahrungen.
Abgerundet wurde das Besuchsprogramm am französischen Nationalfeiertag mit einem Abstecher in die Hauptstadt Paris, die sowohl auf dem Wasser als auch zu Fuß bei einem Rundgang durch das Künstlerviertel Montmatre erkundet wurde.
Hintergrundinformationen
Ivry-sur-Seine ist eine südöstlich von Paris gelegene Vorstadt im Departement Val de Marne. Sie hat ca. 58.000 Einwohner und erstreckt sich auf einer Größe von ca. 3 x 3 km. Das Departement Val de Marne, die Umgebung von Ivry-sur-Seine, bietet mehr als 200 Hektar Parkanlagen und ist damit eine grüne Oase in dieser sonst vorwiegend städtisch geprägten Gegend.
Seit 1965 wird Ivry-sur-Seine kommunistisch regiert. Die Wohnungspolitik spielt eine besondere Rolle in der Kommunalpolitik. Trotz der immer weniger werdenden Unterstützung von Seiten der französischen Regierung, setzt sich die Politik vor Ort vehement für den sozialen Wohnungsbau ein. Ca. 40 Prozent der Wohnungen im Stadtgebiet sind Sozialwohnungen. So ist unter anderem ein Wohnviertel mit dem Namen ZAC Brandenbourg mit 140 Wohnungen und ca. 6.000 m² kommerziellen und kulturellen Einrichtungen entstanden.
Die Arbeitslosenquote in Ivry-sur-Sein beträgt rund 15 Prozent. Trotz der großen Probleme, die die angespannte Wirtschaftslage mit sich bringt, ist die Stadt im kulturellen Bereich sehr aktiv. Die Stadtverwaltung stellt ca. 7 % des Haushaltes für Kultur und Kunst zur Verfügung. So erfolgt zum Beispiel jährlich eine Ausschreibung von Kunstprojekten. Das von einer Jury ausgewählte Siegerprojekt trägt später zur Verschönerung des Stadtbildes bei.
Die städtepartnerschaftlichen Beziehungen reichen bis ins Jahr 1962 zurück, als am 9. September am Brandenburger Hauptbahnhof eine Gedenktafel für ermordete französische Eisenbahner enthüllt wurde und in diesem Zusammenhang in der Havelstadt auch ein Freundschaftskomitee zum Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen zu Ivry-sur-Seine gegründet wurde, in dem es verschiedene Arbeitsgruppen gab. Kurze Zeit später, am 09.05.1963, wurde dann der offizielle Partnerschaftsvertrag unterschrieben.
Am 29.04.1965 erhielt die Gördenschule II in Brandenburg an der Havel den Namen Maurice-Thorez-Oberschule. Der französische Politiker war von 1930 bis 1964 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs und von 1946 bis 1947 Vizepremierminister seines Landes war. Am 13.10.1971 verlieh die Stadt Ivry-sur-Seine ihr Ehrenbürgerrecht an den damaligen Brandenburger Oberbürgermeister Reinhold Kietz. Am 30.11.1972 erhielt eine Neubaustraße in Brandenburg-Nord den Namen Venise-Gosnat-Straße. Er war ein ehemaliger Widerstandskämpfer und der Großvater des heutigen Bürgermeisters Pierre Gosnat. Auch die ehemalige Oberbürgermeisterin Elvira Lippitz erhielt am 11.10.1973 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Ivry-sur-Seine.
Allein in den Jahren von 1963 bis 1970 reisten 1.101 Bürgerinnen und Bürger aus Ivry-sur-Seine nach Brandenburg an der Havel. Zur Anzahl der Brandenburgerinnen und Brandenburger, die vor dem Fall der Mauer in die französische Partnerstadt reisen konnten, liegen leider keine Angaben vor – es dürften aber auf alle Fälle weitaus weniger gewesen sein.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden die partnerschaftlichen Beziehungen deutlich belebt und durch neue Aktivitäten bereichert. So wurde zum Beispiel im Jahr 2003 das Kunstprojekt „Mehr Licht“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Ivry-sur-Seine und ihrer Partnergemeinde La Lisa auf Kuba wurden in allen drei Städten Projekte durchgeführt und Kunstobjekte im öffentlichen Raum aufgestellt. In Brandenburg an der Havel fanden die künstlerischen Aktivitäten insbesondere in Hohenstücken statt und viele Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils konnten damals daran mitwirken.
Seit vielen Jahren reisen Brandenburger Jugendliche zum „Village du Monde“, dem so genannten „Dorf der Welt“. Sie verbringen in der französischen Partnerstadt drei erlebnisreiche Wochen mit Jugendlichen aus den Partnergemeinden von Ivry-sur-Seine in Mali, Palästina und Kuba. Hier wird vor allem der interkulturelle Dialog gefördert. Die Kinder erklären in Spielen ihr Herkunftsland, Kochen für einander und besprechen in verschiedenen Arbeitsgruppen die Probleme in der heutigen Welt.
Des Weiteren reisen regelmäßig junge Fußballspieler aus Brandenburg an der Havel nach Ivry-sur-Seine zu einem großen Fußballturnier mit den Namen „Poussfoot“. Hier treffen ca. 25 Mannschaften aus ganz Frankreich und weiteren Nationen, wie zum Beispiel Algerien, aufeinander. Die Kinder sind in Gastfamilien untergebracht und werden bei ihrer Reise in die Partnerstadt oft von den Eltern begleitet. Im Jahr 2009 wurde auch eine Jugendmannschaft aus Ivry-sur-Seine bei einem Turnier in Brandenburg an der Havel begrüßt.
Erfolgreich abgeschlossen wurde das Projekt „BarUmWalz“. Träger war der Caritasverband, der vom Jobtiger-Team unterstützt wurde. In diesem Projekt wurde über einige Jahre hinweg Jugendlichen die Möglichkeit geboten, Berufserfahrungen während eines dreimonatigen Auslandsaufenthaltes zu sammeln. Bereits sechs Wochen vor dem Auslandsaufenthalt nahmen die Jugendlichen an verschiedenen Vorbereitungsseminaren teil, erhielten Sprachkurse und ein berufsspezifisches Training. Nach der Rückkehr fand dann eine sechswöchige Nachbetreuung statt.
Für die Zukunft sollen die bestehenden Projekte mit Ivry-sur-Seine beigehalten und intensiviert werden. Die Stadt Brandenburg an der Havel hat darüber hinaus großes Interesse am Aufbau einer Schulpartnerschaft mit Ivry-sur-Seine bekundet.